Medienstatement des Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg Dr. Stefan Kram
Im Zusammenhang mit dem Streit zwischen u. a. dem Kreisbauernverband und dem Lauenburgischen Kunstverein (LKV) um die Installation „Mannigfaltigkeit“ oder „bedachte Gärten“ in der aktuellen Kunstausstellung „ON FIRE. Kultur – Natur – Landschaft“ in Ratzeburg haben wir uns intern noch einmal offen über unsere eigene Reaktion und unser Handeln ausgetauscht.
Bestandteil der Ausstellung sind die „Neuen Bauernregeln“, die von der damaligen Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Barbara Hendricks, im Februar 2017 auf der Homepage des Ministeriums und auf Plakaten veröffentlicht wurden. Nach Protesten wurde die Kampagne damals eingestellt, und die ehemalige Ministerin hat sich in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ entschuldigt.
Ein kritischer Diskurs ist uns wichtig. Dazu gehört es auch, klar Position zu beziehen. Ebenso wichtig ist es allerdings auch, in der Zusammenarbeit mit dem von uns unterstützten Kunstverein Neutralität zu wahren. Unsere Forderung an den Kunstverein, die o. g. Installation im Interesse unserer Kunden aus dem landwirtschaftlichen Bereich abzubauen, war vor diesem Hintergrund falsch und hätte so nicht passieren dürfen.
In unserer täglichen Arbeit haben unsere Kunden und ihr Wohl höchste Priorität. In dieser Situation haben wir aber zu schnell und zu emotional gehandelt. Das war so nicht richtig und tut uns leid. Wir sind dann für unser Handeln auch zu Recht kritisiert worden.
Wir haben in der Zwischenzeit das persönliche Gespräch mit dem Kunstverein gesucht und befinden uns in einem konstruktiven Austausch. Unser klares Ziel ist es, unsere über 30-jährige Zusammenarbeit im Rahmen unseres Kultursponsorings auch in Zukunft weiter partnerschaftlich fortsetzen zu können.
Leserbrief LN
Die Aufregung der Bauern finde ich sehr befremdlich. Für mich zielte die Installation auf Missstände und Fehlentwicklungen einer industrialisierten Landwirtschaft.
„Zu viel Gülle auf dem Feld, geht erst ins Wasser, dann ins Geld.“
Die Probleme sind Fakt: Die Bundesregierung hat die gerade verabschiedete Gülleverordnung wieder überarbeitet und 2020 neu verabschiedet, weil Deutschland gegen die EU-Nitratrichtlinie verstoßen hat und mit hohen Strafzahlungen konfrontiert war. Die Nitratwerte im Grundwasser sind oft zu hoch, das gefährdet die Gesundheit. Nirgendwo in der Installation wird gesagt, die Bauern seien Schuld an der Misere.
Warum also Bauern-Bashing?
Es sind gesamtgesellschaftliche Probleme, die gesamtgesellschaftlich gelöst werden müssen. Warum fühlen sich die
Bauern angegriffen? Ist es unangenehm, wenn die Probleme so in den Fokus gerückt werden?
Probleme löst man nur, wenn man anerkennt, dass es sie gibt. Allein das führt zu einer lösungsorientierten Diskussion . „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“ Während meiner landwirtschaftlichen Ausbildung erzählte mir der schweinehaltende Nachbar, dass die Schweine für den eigenen Kochtopf hinterm Haus auf der Wiese laufen. Die engst lebenden Schweine aus seinen großen Ställen werden verkauft. Sollen die die Städter fressen, wenn sie nicht bereit sind, mehr für Fleisch zu bezahlen“ (wörtliches Zitat).
Ist das auch Bauern-Bashing?
Birgit Graf, Panten 9.10.2020
„Allerneuste Bauernweisheit“
oder : „Welchen Reim ich mir als aufmerksamer Mitbürger darauf machte, dass man im Namen einer gänzlich humorfreien Bauernlobby in schamloser Weise versuchte, eine kritische Künstlerin mundtot zu machen „:
„Als schlimmster Umwelt-Ignorant
zeigt sich, wie stets im ganzen Land,
der Großagrarier-Zweckverband.
Überdies, so fordern dessen ehrenwerte Herren,
soll man nun gar ein Kunstwerk sperren,
welches ihnen nicht behagt,
weil´s am sauberen Image nagt.
Erpressen wollten sie die Stadt, die Bank,
was bei letzterer sogar gelang.
Welch ein schmierig` Possenstück !
Bürger, weist die Dreistigkeit zurück !
Abs: Hanno Bohnsack
OFFENER BRIEF des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Kreisgruppe Herzogtum Lauenburg (BUND)
Sehr geehrter Herr Dr. Kram,
mit großer Enttäuschung und großem staatsbürgerlichen Schreck haben wir den Bericht in den LN vom 2. Oktober 2020 “Bauern protestieren in Ratzeburg gegen Kunstaktion” zur Kenntnis genommen. Wir missbilligen Ihr Verhalten gegenüber dem Kreisbauernverband und dem Lauenburgischen Kunstverein (LKV) ganz entschieden. Die in den LN beschriebene Installation “Mannigfaltigkeit” oder: “bedachte Gärten” der Künstlerin Sabine Egelhaaf thematisiert allgemein bekannte negative, von der aktuellen Landwirtschaftspolitik immer noch legalisierte Zustände und Auswirkungen in der industrialisierten Landwirtschaft auf Natur und Umwelt. Sie soll alle, die mit der jetzigen Lebens- und Umweltsituation unzufrieden sind, dafür sensibilisieren, sich zusammen zu schließen und in allen politischen Ebenen die notwendigen Veränderungen mit herbeiführen. Sie ist aber keine einseitige Schuldzuweisung an die Bauernschaft, die allgemein nicht rechtswidrig handelt. Es wäre wünschenswert, wenn neben zahlreichen Bauern auch der Bauernverband das verstehen und leben würde, für eine ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe zu arbeiten und zu streiten. Es liegt wesentlich am Bauernverband, bis wann eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik von der EU- bis zur Kreisebene gestaltet werden kann. Der nicht nachhaltige Blick allein auf Agrarsubventionen ist nicht zukunftsfähig. Auch der Kreissparkasse (KSK) müsste klar sein, dass lebensfeindliches und nicht nachhaltiges Wirtschaften den Zielen dieser Gesellschaft nicht dient.
Der Forderung des Bauernverbandes an die KSK, den LKV zukünftig nicht mehr mit Spenden zu unterstützen, wenn er o.a. Installation nicht abbaut, darf die KSK nicht nachkommen, sondern widersprechen. Die KSK als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, somit dem allgemeinen Nutzen dienend verpflichtet, darf nicht gegen Artikel 5 des GG – Meinungs- und Pressefreiheit; Freiheit der Kunst und der Wissenschaft handeln.
Mit dem LN-Bericht haben Sie zudem offengelegt, dass Sie Ihre Spendenzahlungen als eingekaufte “Werbeleistung” ansehen, die im Einklang mit Ihren “Leitlinien” stehen müssen. Auf der KSK-Internetseite haben wir keine entsprechende Leitlinie gefunden. Gerne würden wir diese Leitlinie zugesandt bekommen. Kunst- und Kulturförderung kann auch als Werbemaßnahme nur innerhalb Ihres Auftrages vollzogen werden.
Abschließend bitten wir Sie, Ihre Forderung auf Abbau der Installation öffentlich zurück zu nehmen und Ihr Sponsoring-Verhältnis mit dem LKV gemäß Ihrer Werbeaussage im Dateianhang zu erneuern.
Mit freundlichen Grüßen
BUND Herzogtum Lauenburg
Für den Kreisvorstand Anne Christina Remus, Hans-Heinrich Stamer
BUND.Vorstand@bund-rz.de www.bund-rz.de
Björn Engholm zum Bauernprotest
Wenn Kunst nicht beliebig sein und nicht nur zur blossen Verschönerung des Daseins beitragen soll, darf, ja, muss sie Themen der Zeit aufnehmen und bildnerisch eigenständig umsetzen.
Neue Sichten eröffnen, anregen, auch durch subjektive Grenzüberschreitung aufregen und zu kontroverser Debatte herausfordern: das ist eine zentrale Funktion (nicht nur) der Bildkunst.
So selbstverständlich diese Freiheit der Künste, so selbstverständlich dasRecht der Kunstadressaten, Werke der KünstlerInnen zu kritisieren und kontrovers über sie zu debattieren.
Alles darüber hinaus Gehende, wie die Forderung nach Entfernung einer Arbeit oder finanzielle Sanktionierung haben im demokratischen Verständnis von Freiheit der Kunst wie auch Freiheit der Kritik keinen Platz. Streit ohne Verbote ist das Gebot – auch im Lauenburgischen!
Samstag, 03. Oktober 2020
Stellungnahme des LKV-Vorsitzenden William Boehart
Die Freiheit der Kunst ist unverzichtbar
Zur Auseinandersetzung über die Installation Mannigfaltigkeit in der Ausstellung CLIMATE – ON FIRE auf dem Parkgelände des Kreismuseums in Ratzeburg
Nach dem Versuch einiger Vertreter des Kreisbauernverbandes, die Installation Mannigfaltigkeit vonSabine Egelhaaf aus der laufenden Ausstellung auf dem Parkgelände des Kreismuseums in Ratzeburg mit Arbeiten von renommierten Künstlern aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu entfernen, sehen wir uns veranlasst, auf die grundsätzliche Frage nach der Freiheit der Kunst öffentlich einzugehen. Ein Gespräch darüber ist vonnöten.
Ein Kunstwerk ist eine Einladung zum Nachdenken und zum Gespräch. Man kann es unterschiedlich interpretieren. Gerade das ist die Stärke der Kunst. Kommunikation, Dialog – auch Streit. Nur eins darf es nicht geben – durch Zensur oder gar Vorzensur dem Publikum die Möglichkeit zu nehmen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Wer die Mittel des Verbotes und der Zensur einzufordern versucht, hat sich als Gesprächspartner disqualifiziert.
Die Freiheit der Kunst ist durch Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert. Sie ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Mit der Zensur eines Kunstwerkes würde eine Linie überschritten. Es könnte ein erster Schritt auf dem Weg sein, der an seinem Ende zur Bücherverbrennung, der öffentlichen Stigmatisierung “Entartete Kunst” und der Verfolgung von Kunst- und Kulturschaffenden führt. Wer die Freiheit der Kunst aufzuheben versucht, greift damit auch die Freiheit schlechthin an. Ohne sie kann eine zivile Gesellschaft auf Dauer nicht bestehen. Darum geht es, um den offenen Meinungsaustausch – und um die Werte einer zivilen Gesellschaft.
Eine Anmerkung zur Installation der Künstlerin Sabine Egelhaaaf. Das Kunstwerk ist bereits 2017 in der Landeschau des Bundesverbandes Bildender Künstler, in Lübeck und 2020 im Mecklenburgischen Künstlerhaus Schloss Plüschow gezeigt worden. 2019 bereicherte es zusammen mit ihrer Schwarzbrandkeramik den Water Event in der Ausstellung Peace is Power von Yoko Ono im Museum für bildende Künste in Leipzig. Ihm den Kunstrang absprechen zu wollen, ist absurd.
Die in das Werk eingebundenen “neuen Bauernregeln” sind Bestandteil einer über sie hinausgehenden Fragestellung, die den Sinn unserer modernen Agrarindustrie kritisch hinterfragt. Eine solche Fragestellung ist nicht nur legitim, sie ist notwendig. Die Installation befindet sich in einer Ausstellung mit dem Titel CLIMATE- ON FIRE. Sie fragt nach dem Umgang der Gesellschaft mit unserer Umwelt. Diese Frage ist von höchster Aktualität. Wer die Diskussion darüber durch Zensur zu unterbinden versucht, ist nicht Teil der Lösung, sondern macht sich zum Teil des Problems.
Offener Brief des Ortsverbandes Bd. 90/Die Grünen
an Dr. Kram, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg zum Protest der Bauern gegen die Kunstaktion (Installation von Sabine Egelhaaf)
Sehr geehrter Dr. Kram,
die Kreissparkasse versteht sich als in der Region verwurzeltes Institut, das seit vielen Jahren lokale kulturelle und künstlerische Einrichtungen und Aktivitäten fördert. Nun hat der Vorstand entschieden, dass eine Kunstinstallation auf Drängen der Kreisbauernschaft entfernt werden muss, ansonsten die zukünftige Förderung gestrichen würde. Damit übt die Kreissparkasse als halböffentliche Einrichtung erstmals eine Zensur auf künstlerische Inhalte aus und begründet dies damit, dass die eingekaufte „Werbeleistung“ im „Einklang mit unseren Leitlinien“ zu stehen habe. Die Zuschüsse an Kulturvereine haben selbstverständlich die legitime Absicht, das positive Image der Kreissparkasse als regionales Institut
zu fördern. Hierzu aber das Mittel der Zensur einzusetzen und auf die Ausstellungsinhalte freier Künstler einzuwirken, ist ungeheuerlich.
Kunst darf Inhalte zuspitzen, Satire, Übertreibung und Provokation einsetzen, aufrütteln, sie muss niemandem nachdem Maul reden. Die „lösungsorientierte Diskussion“ (Bauernvorsitzender Grell) ist nicht ihr Hauptziel, da sind Politik und Verwaltung gefragt. Kunst muss frei und unabhängig bleiben. Deshalb fordern wir die Rücknahme des Vorstandsbeschlusses, um nachhaltige Schäden für das Institut abzuwenden.